“Ich habe TikTok schnell wieder gelöscht. Der Algorithmus war zu gut für mich”
Nach neun Jahren bei Google ist Christian Heise seit 2025 neuer Präsident der Hamburg Media School (HMS). Im Interview spricht er über die Gründe seines Wechsels, die neu eingeführten KI-Sprechstunden und seinen persönlichen Umgang, wenn ihn zu gute Algorithmen lange wach halten.
Herr Heise, nach neun Jahren bei Google haben Sie sich entschieden, als Präsident zur Hamburg Media School (HMS) zu wechseln. Was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?
Christian Heise: Es war eine Mischung aus Timing und der Möglichkeit, etwas zu bewegen. Meine Vorgängerin hat mich 2024 gefragt, ob ich jemanden wüsste, der für die Stelle in Frage käme. Danach bin ich in mich gegangen und habe mich am Ende selbst beworben.
Wie ging es dann weiter?
Christian Heise: Die HMS war bereit für neue Impulse, vor allem in den Bereichen Zukunftsaufstellung und KI-Integration. Es hat mich gereizt, mein Wissen und meine Erfahrungen aus der Technologiebranche in ein akademisches Umfeld einzubringen. Das erste Bewerbungsgespräch mit einigen Aufsichtsratmitgliedern der HMS war ausschlaggebend. Es dauerte über eine Stunde und war der beste Termin meiner Woche. Am Freitagnachmittag!
Was hat Sie in Ihrer neuen Rolle bisher besonders überrascht?
Christian Heise: Die Überlegung, ob eine Sitzung digital stattfinden kann. Für mich war das selbstverständlich - bei Google hätte niemand gefragt. Solche Mikromomente zeigen mir die unterschiedlichen Arbeitskulturen und -praktiken auf, die sich mit der Zeit verändern können.
Was war Ihre erste Amtshandlung als Präsident?
Christian Heise: Kennenlerngespräche mit allen Mitarbeiter:innen und die Einführung einer KI-Sprechstunde. Mein Ziel ist es, unsere Mitarbeiter:innen direkt zu unterstützen und ihnen die Angst vor neuen Technologien zu nehmen. Es geht darum, praktische Hilfe zu bieten und gleichzeitig das Bewusstsein und die Kompetenz im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu schärfen.
Wie bewerten Sie die anhaltenden Konflikte zwischen Google und europäischen Medienhäusern?
Christian Heise: Ich denke, dass es für Google als US-amerikanischen Tech-Konzern lange Zeit schwierig war, die spezifischen Anforderungen und kulturellen Unterschiede des europäischen Marktes zu verstehen und darauf einzugehen. Dies hat vor allem zu Herausforderungen bei der Anpassung an europäische Datenschutzstandards und andere lokale Gesetzgebungen geführt, was wiederum zeitweise zu Konflikten mit europäischen Institutionen führte.
Wie würden Sie diese kulturellen Unterschiede beschreiben?
Christian Heise: Auch in Europa wollen die Menschen gehört und gesehen werden. Die Wertschätzung und die politische Rolle der Beiträge lokaler Medienunternehmen und die Anerkennung der unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen sind entscheidend für den Erfolg, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Urheberrechte.
Was sind die großen Themen, die Sie bei der HMS angehen möchten?
Christian Heise: Mein Ziel ist es, die Hamburg Media School stärker in ein europäisches und internationales Netzwerk von Bildungseinrichtungen einzubinden, um eine noch reichhaltigere und vielfältigere Ausbildung zu ermöglichen. Darüber hinaus sehe ich die HMS als einen Ort, an dem Medien als treibende Kraft für Innovation genutzt werden und sie wieder verstärkt ein essentielles Bindeglied in unserer Gesellschaft darstellen.
Welche Medien nutzen Sie persönlich?
Christian Heise: Ich habe verschiedene Zeitungen abonniert, unter anderem die Eimsbütteler Nachrichten oder ZEIT Digital. TikTok habe ich sehr früh genutzt, aber nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Der Algorithmus war mir einfach zu gut. (lacht) Trotzdem sehe ich das Potenzial von TikTok zur bewussten und rücksichtsvollen Zielgruppenansprache, besonders bei jüngeren Menschen. Ich bin auch ein erstaunlich aktiver Nutzer von Reddit. Dort gibt es zahlreiche spezifische Debatten und Perspektiven, insbesondere in Nischenbereichen, die mich besonders interessieren.
Teilen Sie zum Schluss den größten Unterschied zwischen Google und der HMS mit uns?
Christian Heise: Zum einen unterscheidet sich die Art der digitalen Zusammenarbeit deutlich, und zum anderen ist meine Reisekostenabrechnung jetzt wesentlich schlanker (lacht).
Gleichzeitig sehe ich an der HMS einen größeren gestaltbaren Möglichkeitsraum, der neue Chancen für kreative und innovative Ansätze bietet.