Über Personalisierung durch Algorithmen und KI
Arian Okhovat Alavian zeigt in seinem Gastbeitrag anhand von Daten, Studien und Cases, wie KI die Redaktionen weltweit verändert und Inhalte gezielt personalisiert.
Arian Okhovat Alavian zeigt in seinem Gastbeitrag anhand von Daten, Studien und Cases, wie KI die Redaktionen weltweit verändert und Inhalte gezielt personalisiert.
Die Art, wie wir Nachrichten konsumieren, steht (mal wieder) vor einem grundlegenden Wandel – und dahinter steckt in besonderem Maße die Personalisierung durch Künstliche Intelligenz (KI). Was vor einigen Jahren noch als ambitioniertes Zukunftsversprechen galt, wird heute zur Realität in Redaktionsräumen auf der ganzen Welt - von klein bis groß. Medienhäuser, aber auch Agenturen setzen zunehmend auf KI-gestützte Technologien, um Inhalte maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Leser*innen zuzuschneiden.
Studien belegen diesen Trend: Laut einer Analyse der International News Media Association (INMA) verdoppelt sich die Verweildauer von Nutzer*innen auf Nachrichtenportalen, wenn Inhalte personalisiert werden. Bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zeigt sich, dass Abonnent*innen, die personalisierte Zusammenfassungen nutzen, fast doppelt so häufig zurückkehren. Ganze 81% der Nutzer*innen empfanden die KI-gestützte Zusammenfassungsfunktion als nützlich – ein klares Indiz dafür, dass diese Technologie die Beziehung zwischen Leser*innen und Verlagen auf ein neues Niveau hebt. Auch erste Ergebnisse unserer PANTA RHAI Forschungsstudie, die wir gemeinsam mit der Universität Hamburg und Universität Rostock gestartet haben, zeigen, dass Konsument*innen grundsätzlich nicht abgeneigt gegenüber KI-generierten Inhalten sind. Wichtig bleibt jedoch, das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit dieser Inhalte zu stärken und die Vorteile, wie Personalisierung, klar zu kommunizieren.
Die Vorteile sind vielfältig. Beim Kölner Stadt-Anzeiger führte ein KI-basiertes Empfehlungssystem zu einer 80% höheren Click-Through-Rate und einer 13%igen Steigerung vollständig gelesener Artikel. Diese Beispiele zeigen, dass KI nicht nur die Qualität und Relevanz der Inhalte verbessert, sondern auch messbare (wirtschaftliche) Erfolge bringt.
Während der technologische Fortschritt die Medienbranche vorantreibt, verschiebt sich der Fokus zunehmend. Von überambitionierten Visionen hin zu greifbaren, realen Mehrwerten. Bei der INMA Innovation Week, auf der ich im September meine Erfahrungen mit KI im Medienumfeld teilen und einen Blick in die Zukunft werfen konnte, wurde eines deutlich: KI ist heute mehr als ein Hype – KI liefert belastbare Verbesserungen und wird zum festen Bestandteil moderner Geschäftsmodelle in der Medienbranche. Diesen Wandel zu meistern, ist für viele Medienunternehmen eine Herausforderung. Aber auch eine enorme Chance.
In der Praxis vieler Medienunternehmen zeigt sich immer deutlicher, wie transformativ der Einsatz von KI für die Personalisierung von Inhalten sein kann. In meinen Projekten mit Redaktionen und Medienhäusern sehe ich, wie Personalisierung nicht nur den Konsum von Inhalten verändert, sondern auch redaktionelle Prozesse und die Art und Weise, wie Nachrichten aufbereitet werden. Dabei lassen sich meiner Meinung nach drei Hauptansätze klar unterscheiden:
Personalisierte Aufbereitung von Inhalten: Die Art, wie Inhalte konsumiert werden, spielt eine entscheidende Rolle für die Nutzerbindung. Immer mehr Leser*innen wünschen sich, dass Nachrichten in einem Format geliefert werden, das ihrem Lebensstil entspricht. Ob als leicht verständlicher Text, Audioformate für unterwegs oder personalisiertes Video – Nutzer*innen erwarten diese individuell angepasste Vielfalt. Plattformen wie die BBC und die Washington Post nutzen bereits seit Jahren Text-to-Audio-Technologien, um Inhalte zugänglicher zu machen.
Personalisierung durch Empfehlungssysteme: In vielen Medienunternehmen ist die Personalisierung der Startseiten und Feeds längst Standard. Recommendation Engines, die auf Algorithmen und KI basieren, sorgen dafür, dass Leser:innen gezielt Inhalte angezeigt bekommen, die ihren Interessen und bisherigen Lesegewohnheiten entsprechen. Wie anfänglich erwähnt, konnte der Kölner Stadt-Anzeiger durch die Implementierung solcher Systeme seine Click-Through-Rate enorm steigern. Die Zahl der vollständig gelesenen Artikel erhöhte sich ebenfalls signifikant. Solche Erfolgsbeispiele verdeutlichen, welchen direkten Einfluss diese Technologien auf das Nutzerverhalten und die Performance eines Mediums haben.
Personalisierung des redaktionellen Inputs: Ein weiterer Personalisierungsansatz, den ich sehr spannend finde, ist die Nutzung von unterschiedlichen Datenquellen, um Inhalte (hyper)lokal und relevant zu gestalten. Gefühlt gibt es mittlerweile Daten, wie Sand am Meer – viele sind teils kostenfrei verfügbar über Schnittstellen von Kommunen/ Städten, dem Bundestag, Stadtwerken und Co. Redaktionen können - live - Informationen wie lokale Demographiedaten, Wetter- oder Verkehrsberichte nutzen, um Artikel zu erstellen, die exakt auf die Bedürfnisse einer Region zugeschnitten sind. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist Ringier aus der Schweiz, die bei Blick Wetterdaten verwenden, um tägliche, für die Region besonders relevante Artikel zu erstellen.
Bereits weit vor dem jüngsten Hype um KI haben Medienunternehmen nach Möglichkeiten gesucht, Inhalte flexibler und zugänglicher zu machen. Die große Frage dabei: Wie können Nachrichten bzw. Informationen den Menschen genau so bereitgestellt werden, wie diese sie konsumieren möchten? Ob als Text, Audio oder sogar Video – die Konsumform spielt eine immer größere Rolle.
Schon seit 2015 investiert die BBC aktiv in Text-to-Audio-Technologien, um Artikel auch hörbar zu machen. Besonders spannend: Diese Audioangebote sind nicht nur auf Englisch verfügbar. Das führte zu einer wachsenden Reichweite, insbesondere international. Auch die Irish Times hat früh den Schritt hin zu Audioformaten gewagt. Seit einigen Jahren setzen sie auf Speechkit (heute BeyondWords), um täglich 15 bis 20 Artikel automatisch in Audio umzuwandeln.
Ein besonders originelles Beispiel kommt aus Norwegen und Schweden. Der Verlag Schibsted hat in Aftenposten und anderen Zeitungen synthetische Stimmen bekannter Redakteur*innen implementiert. Das heißt, Leser*innen können Artikel konsumieren, die sich so anhören, als wären sie von “echten” und ihnen bereits bekannten Menschen vorgelesen. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern auch eine ganz besondere Bindung zu den Hörern. Die Audiofunktion führt dazu, dass 58% der Hörer*inen die Artikel vollständig anhören, was die Interaktion deutlich erhöht. In Anbetracht dessen, dass 13% der Leser*innen Abonnements aufgrund von Zeitmangel kündigen, zeigt dies, wie Audioformate eine wichtige Rolle spielen können, um die Nutzerbindung zu stärken und den Wert des Abonnements zu steigern. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass die Nutzung von KI-generierten Audioartikeln fast auf dem Niveau von Podcasts liegt.
Aber es sind nicht nur die großen internationalen Medienhäuser, die auf Personalisierung setzen. Auch regionale Verlage sind aktiv. Die Kleine Zeitung in Österreich bietet Inhalte in Leichter Sprache an, um Menschen mit Leseschwierigkeiten oder Sprachbarrieren den Zugang zu Nachrichten zu erleichtern. Solche Initiativen fördern die Zugänglichkeit auf lokaler Ebene erheblich.
Personalisierung von Inhalten ist also keineswegs erst seit dem Aufstieg von KI-Technologien ein Thema. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten – wie synthetischen Stimmen, Text-to-Audio oder angepasster Sprachniveaus – wird klar: Der Nachrichtenkonsum von morgen kann und muss flexibler, individueller und zugänglicher werden.
Es geht nicht mehr nur darum, Inhalte basierend auf redaktionellen Empfehlungen auszuspielen – heute sorgen Recommendation Engines dafür, dass Nutzer*innen genau das bekommen, was sie interessiert, und zwar genau im richtigen Moment. Am bekanntesten dafür sind wohl Soziale Medien wie Tiktok, Instagram, Snapchat und Tech-Giganten, wie Netflix und Amazon. Doch auch darüber hinaus werden Empfehlungsalgorithmen genutzt, um Interaktionen und die Nutzerloyalität zu steigern.
Der Kölner Stadt-Anzeiger lässt Inhalte seiner Homepage komplett durch automatisierte Empfehlungssysteme gestalten. Das Ergebnis? Eine 80% Steigerung der Click-Through-Rate und ein 13% Anstieg der Nutzerinteraktion. Diese Personalisierung sorgt also dafür, dass Leser*innen gezielter auf Inhalte zugreifen, die für sie relevant sind. Ein klarer Gewinn für den Verlag – und ein verbessertes Erlebnis für die Leserschaft.
Während der INMA Innovation Week in Helsinki präsentierten mehrere finnische Verlage, wie sie erfolgreich einen Großteil ihrer Homepages durch Recommendation-Algorithmen automatisieren. Beim finnischen Medienkonzern Sanoma, wo mehr als 75% des Traffics über Direct Traffic generiert wird, bestimmt die Redaktion nur noch die ersten drei Beiträge, während der Rest automatisiert erfolgt.
Das polnische Nachrichtenportal Onet konnte durch den gezielten Einsatz von KI-Tools seine Inhalte stärker personalisieren und die Nutzerbindung erheblich steigern. Eine 600-prozentige Erhöhung der Inhaltsvielfalt und ein Anstieg der Verweildauer um 50% zeigen den Erfolg datengetriebener Personalisierung. Onet nutzt eine KI-basierte Engine, die sowohl Nutzerverhalten als auch Inhalte analysiert, um maßgeschneiderte Nachrichten für verschiedene Zielgruppen zu liefern. Dies führte zu einem Wachstum der Onet-Audio-App-Abonnements und insgesamt zu einer Steigerung der Anzahl loyaler Nutzer um rund 20%.
Spotify ist wahrscheinlich der bekannteste Name, wenn es um Personalisierung im Medienbereich geht. Die Playlists Discover Weekly und Daily Mix sind für viele Nutzer*innen eine tägliche Anlaufstelle. Durch den Einsatz von Algorithmen, die auf den Hörgewohnheiten basieren, erreicht Spotify deutliche Steigerungen in der Nutzerbindung und Verweildauer. Mit neuen Features, wie AI Playlist, das dieses Jahr in Beta gestartet ist, will Spotify diese Personalisierung noch weiter ausbauen. Wer noch tiefer einsteigen möchte, findet in Spotify Research spannende Einblicke in die technische Strategie und Logik der Algorithmen, die hinter diesen Funktionen und Erfolgen stehen.
Personalisierung durch Recommendation Engines ist längst kein nettes Extra mehr – sie ist ein essenzieller Bestandteil des modernen Nutzererlebnisses. Von Verlagen bis Streaming-Plattformen zeigt sich, dass datenbasierte Personalisierung nicht nur die Zufriedenheit der Nutzer:innen steigert, sondern auch für die Unternehmen (wirtschaftlich) äußerst attraktiv und vor allem notwendig ist.
Personalisierung in der Medienbranche geht weit über die Anpassung von Inhalten an individuelle Lesegewohnheiten hinaus. Ein spannendes Beispiel ist der Schweizer Verlag Ringier, der mit Wetterdaten arbeitet, um automatisch Inhalte zu generieren. Bei Blick werden so beispielsweise Artikel generiert, die nicht nur das Wetter präsentieren, sondern den Leser*innen auch Vorschläge für Aktivitäten an Regentagen bieten – basierend auf bestehenden redaktionellen Inhalten. Damit wird mit tagesaktuellen Wetterinformationen sinnvoller Content geschaffen, der den Alltag der Leser*innen bereichert. Diese personalisierten, datengetriebenen Inhalte kommen bei den Konsument*innen gut an - 7 % der täglichen Visitor greifen auch darauf zu - und steigern deren Interaktion mit Blick.
Doch das Potenzial geht noch viel weiter. Besonders für kleinere, lokale Redaktionen bieten Echtzeitdaten eine sinnvolle Möglichkeit, um gezielt auf ihre lokale Leserschaft einzugehen. Lokale Datenquellen – beispielsweise Verkehrsstatistiken, Daten von Stadtwerken oder gar aus Datenbanken regionaler Parlamente – können genutzt werden, um präzisen, (hyper-)lokalen, relevanten Content zu erstellen. Solche Daten helfen dabei, wichtige Entwicklungen in der Region zu erkennen und sie in einen direkten, nutzerfreundlichen Kontext zu bringen. Auch demografische Daten – von der Bevölkerungsstruktur bis zu Einkommensverteilungen – können spannende Einblicke für Leser*innen bieten.
Im Rahmen eines Whitepapers von PANTA RHAI, das in Zusammenarbeit mit dem Media Lab Bayern entstand, haben wir unter anderem lokale Datenquellen analysiert, um Trends in Bereichen wie Nachhaltigkeit oder demografischen Veränderungen journalistisch nutzbar zu machen. Für Redaktionen, besonders jene mit knappen Ressourcen, bieten KI-gestützte Tools so neue Möglichkeiten, ihre Relevanz zu steigern und datengetriebenen Lokaljournalismus effizienter umzusetzen.
Die Personalisierung von Inhalten, basierend auf lokal relevanten Daten, bietet enormes Potenzial, um den Lokaljournalismus nachhaltig zu stärken. Durch die Nutzung von diversen öffentlich zugänglichen Datenquellen können Redaktionen Inhalte schaffen, die nicht nur informativ sind, sondern auch eine direkte Relevanz im Alltag ihrer Leser*innen haben. So wird sowohl die Effizienz in Redaktionen gesteigert als auch das Vertrauen und die Relevanz lokaler Medien gefördert.
Auch wenn die Potenziale von KI und Personalisierung enorm sind, birgt diese Entwicklung einige Herausforderungen. Um die Balance zwischen technischem Fortschritt und ethischen Bedenken zu wahren, müssen wir uns die Herausforderungen, die nicht nur die Implementierung, sondern auch die Langzeitfolgen betreffen, genauer anschauen. Besonders bei der Anwendung in der Medienbranche - und vor allem im Journalismus - stehen wir vor einigen komplexen Fragen.
Die Personalisierung basiert teilweise auf Nutzerdaten – und genau hier liegt eine der größten Hürden. Je genauer die Inhalte auf die Bedürfnisse der Leser zugeschnitten sind, desto mehr persönliche Daten müssen verarbeitet werden. Gerade in Europa, wo bspw. die Datenschutzgrundversordnung (DSGVO) den Umgang mit personenbezogenen Daten streng reguliert, müssen Medienhäuser den Schutz der Daten besonders wahren. Transparenz im Umgang mit den Daten ist essenziell. Vertrauen ist der Schlüssel. Das Vertrauen der Leser*innen zu verlieren, würde langfristigen Schaden anrichten.
Ein weiteres Risiko der Personalisierung sind sogenannte Filterblasen. Wenn Recommendation Engines nur noch Inhalte basierend auf den Vorlieben der Nutzer*innen ausspielen, besteht die Gefahr, dass diese sich immer weiter abschotten. Sie sehen dann nur noch, was ihnen gefällt, und weniger das, was vielleicht konträr zu ihrer Meinung ist. Medienunternehmen sollten darauf achten, dass ihre Recommendation Engines die inhaltliche Vielfalt bewahren. Es geht darum, die Nutzer*innen auch mal aus ihrer Komfortzone zu holen – ohne sie zu verlieren.
Gerade bei der Personalisierung des redaktionellen Inputs besteht zudem die Gefahr, dass menschlicher Einfluss zu stark zurückgedrängt wird. Automatisierung bedeutet zwar Schnelligkeit und Effizienz, aber der geschulte Blick von Redaktuer*innen darf nicht fehlen. Besonders im Journalismus, wo es auch um kritische Themen geht, ist die menschliche Sorgfalt entscheidend. Ohne diese könnte die Qualität der Inhalte leiden und damit auch der Mehrwert, für den Abonnent*innen bereit sind Geld auszugeben.
Auch die Technologie selbst hat noch ihre Grenzen. KI ist zwar in der Lage, riesige Datenmengen zu verarbeiten, stößt aber bei der inhaltlichen Tiefe oft an ihre Grenzen. Unsere Erfahrungen mit Prototypen wie unserem LokaljournalismusGPT zeigen, dass KI-Tools zwar nützliche Unterstützung bieten können, aber in vielen Fällen noch Schwierigkeiten haben, komplexe Zusammenhänge richtig zu erfassen.
Schließlich spielt auch die gesellschaftliche Verantwortung eine wichtige Rolle. Journalismus hat die Aufgabe, eine informierte Gesellschaft zu unterstützen und zur Meinungsbildung beizutragen. Eine übermäßige Fokussierung auf personalisierte Inhalte könnte dazu führen, dass bestimmte Themen oder Bevölkerungsgruppen vernachlässigt werden. Wir müssen sicherstellen, dass weiterhin vielfältige Inhalte geliefert werden, die für alle zugänglich sind – nicht nur für diejenigen, deren Interessen und Vorlieben bereits bekannt sind. Personalisierung darf nicht zu Einseitigkeit führen – das ist besonders in Zeiten von Desinformation und zunehmender Polarisierung entscheidend.
Die Einführung von KI und Personalisierung in den Journalismus hat die Art und Weise, wie Nachrichten konsumiert und erstellt werden nachhaltig verändert. Was vor kurzem noch als Zukunftsvision galt, ist heute Realität. Ob durch personalisierte Startseiten oder durch flexible Formate (z.B. Text zu Audio) – KI ermöglicht es, Inhalte maßgeschneidert und zielgerichtet anzubieten. Dabei profitieren sowohl Leser*innen als auch Verlage: Die Nutzerbindung wächst, und die Relevanz der Inhalte steigt. Doch dieser Wandel bringt nicht nur Vorteile mit sich. Datenschutz, Filterblasen und die zunehmende Automatisierung stellen große Herausforderungen dar, die von den Unternehmen aktiv angegangen werden müssen, um langfristig Vertrauen und Qualität zu sichern.
Wenn man den Trends glaubt, wird Hyperpersonalisierung dabei im Zentrum stehen: Inhalte werden nicht nur individuell auf die Nutzer*innen abgestimmt, sondern in Echtzeit auf deren Kontext und Situation angepasst. Wir sprechen hier von Inhalten, die sich dynamisch verändern, basierend auf dem aktuellen Standort des Nutzenden, der Tageszeit oder den Interessen. Besonders spannend finde ich auch die rapide Entwicklung im Bereich der multimodalen Personalisierung. Nutzer*innen erwarten zunehmend, dass sie entscheiden können, in welchem Format sie Inhalte konsumieren – sei es als Artikel, Podcast oder Video Avatar. Diese neuen Technologien bieten eine Chance, den Journalismus weiterzuentwickeln und auszuprobieren, wie wir Inhalte noch flexibler und zugänglicher gestalten können.
Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir dabei die Vielfalt der Inhalte bewahren. Personalisierung sollte nicht (nur) dazu führen, dass Menschen in ihrer Meinung bestätigt werden – sie sollte uns auch neue Perspektiven eröffnen. Es liegt an den Medienunternehmen, dies bewusst zu fördern und ihren Nutzer*innen hochwertige Inhalte zu liefern, die auch mal über ihre Gewohnheiten hinausgehen.
Gleichzeitig darf die zunehmende Automatisierung im redaktionellen Bereich nicht dazu führen, dass menschliche Kontrolle und journalistische Integrität auf der Strecke bleiben. Effizienz ist großartig, aber auch hier bleibt der menschliche Faktor entscheidend. KI kann redaktionelle Prozesse unterstützen, sollte aber niemals die journalistische Sorgfalt ersetzen.
Was der Journalismus heute braucht, ist Mut zur Veränderung. Wir stehen erst am Anfang dessen, was KI und Personalisierung für die Medienwelt bedeuten können. Es geht nicht darum, bestehende Strukturen zu verdrängen, sondern sie zu ergänzen und zu erweitern. Neue Technologien wie KI ermöglichen es uns, Inhalte dynamisch und individuell anzubieten – auf eine Art und Weise, die sowohl für Leser*innen als auch für das Unternehmen einen echten Mehrwert schafft.
Die Herausforderung wird sein, ethische Leitlinien zu entwickeln und sicherzustellen, dass Personalisierung Vielfalt und Meinungsbildung fördert, statt sie zu beschränken. Gleichzeitig eröffnet uns die Digitalisierung des Journalismus und der Medienbranche im Allgemeinen Möglichkeiten, die wir uns vor ein paar Jahren kaum vorstellen konnten. Mit der richtigen Mischung aus Neugier und Verantwortung können wir den Journalismus zukunftsfähig gestalten – und dabei die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser in den Mittelpunkt stellen.
Arian Okhovat Alavian ist ein Hamburger Experte für Künstliche Intelligenz und Medieninnovation. Als Mitgründer und Geschäftsführer von PANTA RHAI hat er sich auf die Entwicklung von KI-Strategien und -Tools für Medienunternehmen und Agenturen spezialisiert. PANTA RHAI konzentriert sich auf die Nutzung und Entwicklung von GenAI und Machine-Learning-Modellen, sowie deren Implementierung in Unternehmen.
Arian ist aktiv in der Forschung zur Medieninnovation tätig und beteiligt sich unter anderem an AI for Good und EU-geförderten Projekten. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich als Mitglied der Global Shapers Community des World Economic Forum und unterstützt weitere Initiativen, wie GermanDream, Social Impact Award, 2hearts und weiteren.