Einblicke in die Musikbranche – Michael Kümmerle im Interview
Seit über 20 Jahre ist Michael Kümmerle in der Musikbranche tätig. Wir sprachen mit dem Experten über die Entwicklungen in der Musikbranche und die Rolle von TikTok.
Seit über 20 Jahre ist Michael Kümmerle in der Musikbranche tätig. Wir sprachen mit dem Experten über die Entwicklungen in der Musikbranche und die Rolle von TikTok.

Seit über 20 Jahre ist Michael Kümmerle in der Musikbranche tätig. Er kennt den Markt, weiß, wie Plattformen ticken und treibt als Global Head of Music Partnership Development die Entwicklung der Branche bei TikTok weiter voran. Warum Musik bei TikTok eine große Rolle spielt, wie die Zusammenarbeit mit Streaming-Anbietern funktioniert und wie die Pläne für TikTok weitergehen, darüber konnten wir mit Michael reden.
nextMedia: Hi Michael! In der Musikbranche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan. Wie blickst du auf die Entwicklung?
Michael Kümmerle: Die Art, wie wir Musik hören, wie wir Musik entdecken und die Beziehung zwischen Künstler*innen und Fans hat sich fundamental geändert. Inzwischen beginnt der Weg vieler Chart-Erfolge auf TikTok. Die Community entscheidet, welche Songs beliebt sind, geteilt werden und dadurch die Spitze der Charts erreichen. Und das gilt nicht nur für neue Hits, sondern oft auch für Klassiker, die durch TikTok ein Revival erleben.
nextMedia: Wie konnte TikTok dazu beigetragen?
Michael Kümmerle: TikTok trägt dazu bei, dass Menschen neue Musik entdecken und eine stärkere Bindung zu ihren liebsten Künstler*innen aufbauen. Und „neu“ heißt für uns nicht automatisch neu veröffentlichte Musik. „Neu“ bedeutet auch, dass jemand z. B. das erste Mal Musik aus den 80ern entdeckt. Das ist ein großer Unterschied zu früher: Die Community hat heute einen umfassenden Zugang zu Musik und einen wesentlich höheren Einfluss darauf, welche Musik erfolgreich wird oder nicht. Durch Momente entstehen Trends und damit musikalische Erfolge. Das ist schon ein großer Shift, wenn wir 10 oder 15 Jahre zurückdenken.
nextMedia: Wie versteht ihr euch als Plattform im Kontext des Musikbusiness?
Michael Kümmerle: TikTok ist die Plattform für Musikpromotion und Musikentdeckung. Das steht bei uns an oberste Stelle. Mehr als jeder dritte Nummer 1-Hit, der 2024 die Spitze der deutschen Single-Charts erklomm, hatte zuvor einen viralen Moment auf TikTok. Auch in den USA haben wir erhoben, dass 84 % aller Songs, die 2024 in die Top 200 Billboard Charts eingestiegen sind, zuvor auf TikTok viral gingen. Das verdeutlicht, welchen Einfluss die Plattform auf das Musikbusiness hat.
"Grundsätzlich möchten wir dazu beitragen, dass Künstler*innen wie Songwriter*innen erfolgreicher werden – und nicht nur auf TikTok, sondern Plattform und Business übergreifend."
nextMedia: Arbeitet ihr bei anstehenden Releases mit den Labels zusammen?
Michael Kümmerle: Ja. Wir haben ein Partner-Set Up mit allen Labels – und auch mit allen Publishern, weil uns auch die Songwriter*innen extrem wichtig sind, z. B. haben wir vor kurzem unser TikTok Songwriter Feature in Beta gestartet, so können diese mehr Aufmerksamkeit für ihre Werke und Kompositionen auf TikTok generieren. Und schließlich arbeiten wir natürlich direkt mit Künstler*innen zusammen. Wir unterstützen sie bei der Umsetzung von Kampagnen und haben bspw. Ticketing-Partnerschaften abgeschlossen, sodass sie auch direkt über die Videos ihre Konzerte selbst bewerben und Tickets verkaufen können. Grundsätzlich möchten wir dazu beitragen, dass Künstler*innen wie Songwriter*innen erfolgreicher werden – und nicht nur auf TikTok, sondern Plattform und Business übergreifend.
nextMedia: Du meinst die Streaming-Anbieter?
Michael Kümmerle: Ja, auch bei den DSPs. Wir haben eine indirekte Wertschöpfung auf die nachgelagerten Streamingdienste geschaffen, mittlerweile sind fast alle Anbieter mit dabei wie Apple Music, Spotify, Deezer usw. Das ist wichtig für uns, denn darüber können wir letztlich Aussagen treffen, wie und warum ein Song zum Erfolg geworden ist.
nextMedia: Wie genau funktioniert das?
Michael Kümmerle: Durch eine Funktion, die wir Ende 2023 gelauncht haben. Sie heißt „+ zur Musik-App“. Über einen „Lied hinzufügen“-Button in einem Video, kann ein Song so ganz einfach im Streamingdienst deiner Wahl abgespeichert werden. Im vergangenen Jahr wurden darüber ca. eine Milliarde Songs gesaved.
nextMedia: Verliert ihr die Nutzer*innen darüber nicht an die Streaming-Anbieter?
Michael Kümmerle: Nein. TikTok ist eine Plattform für Musikentdeckung und -promotion, wir sind kein vollumfänglicher Streamingdienst. Menschen sollen die Songs bei TikTok entdecken und dann bei ihrem bevorzugten Streamingdienst in voller Länge hören können. Zudem hat es einen positiven Effekt auf alle Marktteilnehmer, da so mehr Titel den Durchbruch schaffen und zu Hits werden, quasi von TikTok über Streamingdienste in die offiziellen Musikcharts. Entscheidend sind dabei die TikTok Community und ihre Superfans, die die Trends setzen.
nextMedia: Hast du ein Beispiel, welche Contentangebote TikTok den Superfans bietet?
Michael Kümmerle: Im vergangenen Jahr haben wir in den USA „Spotlight“ gelauncht – eine neue Lösung für In-App Promotion und Fan-Engagement. Seit diesem Jahr gibt es das Tool auch in Deutschland, es unterstützt Entertainment-Marken und Studios dabei, ihre Filme und Serien von Fans entdecken zu lassen und sie aktiv in den Community-Dialog einzubinden. So können beispielsweise interaktive Links direkt in Videos eingebettet werden, die die Nutzer*innen zu entsprechenden In-App-Seiten führen. Dort finden sie alle wichtigen Informationen wie Trailer, Casts, Streaming-Optionen und sogar Kinotickets. Der Einsatz von TikTok Spotlight durch Sony für „Venom: The Last Dance" war der bisher erfolgreichste seiner Art Die Kampagne erzielte über 43+ Milliarden Impressionen, 533+ Mio. tägliche Videoaufrufe und mehr als 20+ Mio. Creator*innen-Beiträge.
nextMedia: Vor welchen Herausforderungen steht ihr aktuell?
Michael Kümmerle: Es ist wichtig zu verstehen, dass TikTok kein Streamingdienst, aber vollständig lizenziert ist und es wird sichergestellt, dass Rechteinhaber*innen Lizenzausschüttungen erhalten, wenn ihre Musik genutzt wird. Unser Ziel ist es, unseren Partner*innen dabei zu helfen, die vielfältigen kommerziellen Möglichkeiten, die TikTok bietet, optimal zu nutzen. TikTok legt großen Wert auf den Schutz des Urheberrechts von Künstler*innen. Auch die Labels sehen zunehmend das Potenzial für ihre Künstler*innen und streben verstärkt langfristige Partnerschaften mit TikTok an.
nextMedia: Wie spielt da die Debatte um KI und Urheberrecht rein?
Michael Kümmerle: Wir verfolgen – wie die gesamte Branche – die Entwicklungen im Bereich KI sehr genau und was das für Künstler*innen wie die Community auf TikTok bedeuten könnte. Seit letztem Jahr erkennt und kennzeichnet TikTok automatisch KI-generierte Inhalte, sobald sie hochgeladen werden – dank unserer Partnerschaft mit der Coalition for Content Provenance and Authenticity (C2PA). Wir waren die erste Plattform für Content-Sharing, die diese Open-Standard-Technologie eingeführt hat.
nextMedia: Wie geht es bei euch weiter?
Michael Kümmerle: Wir wollen weiterhin eine wichtige Schnittstelle zwischen den Labels, den Künstler*innen und ihren Fans sein. Gerade haben wir unsere All-in-one-Musikplattform SoundOn in Deutschland gestartet, damit begleiten wir Künstler*innen dabei, ihre Reichweite auf TikTok zu vergrößern, ihre Musik zu promoten und zu distribuieren plus Lizenzgebühren und Insights. Hier gibt es bspw. erste Erfolgsgeschichten mit Künstlern wie Ely Oaks und WizTheMc.
Danke für das Gespräch!