Vom Content zur Company: Ein Blick auf die Creator Economy
Interview mit HitchOn Geschäftsführerin und Social Media Expertin Sarah Kübler über die Entwicklungen in der Creator Economy.
Interview mit HitchOn Geschäftsführerin und Social Media Expertin Sarah Kübler über die Entwicklungen in der Creator Economy.
Als Gründerin und Geschäftsführerin der Social Media Agentur HitchOn und dem Startup NextGen Innovators ist Sarah Kübler Teil einer Branche, die eine beispiellose Professionalisierungsentwicklung durchlaufen hat und es immer noch tut – der Creator Economy. Wie es dazu kam und wie es weitergehen wird, dazu haben wir mit der Expertin gesprochen.
nextMedia: Liebe Sarah, in der Creator Economy hat sich einiges getan. Wo steht die Branche gerade?
Sarah Kübler: Ich glaube, wir befinden uns aktuell in der “Post-BraTee-Ära”. Nachdem Influencer*innen zunächst ihre Social-Media-Reichweite auf den Plattformen monetarisiert haben, ging es anschließend um die Vermarktung eigener Produkte. Die Frage war: Wie kann ich ein eigenes "Universum" mit meiner Person aufbauen? Das haben sehr viele probiert und bei den ganz Großen hat es auch sehr gut funktioniert, aber bei vielen eben auch nicht. So manche*r hat massiv unterschätzt, wie anspruchsvoll das ist.
nextMedia: Worin liegt der Reiz, eigene Produkte auf den Markt bringen zu wollen?
Sarah Kübler: Wenn ich ein eigenes Produkt rausbringe, das beispielsweise im Supermarkt steht, dann bekomme ich eine andere Wichtigkeit. Ich habe etwas im echten Leben, was ich jedem zeigen kann. Das sieht und versteht auch meine Oma.
nextMedia: Hält der Trend “Unternehmertum” denn an?
Sarah Kübler: Das war im letzten Jahr auf jeden Fall so, und ich finde, es ist eine spannende Entwicklung. Wir beobachten, dass sich Creator*innen zunehmend auch selbst als Unternehmer*innen oder als Investor*innen sehen.
nextMedia: Du sprichst von Creator*innen auch als Investor*innen. Kannst du das erläutern?
Sarah Kübler: Das Thema Investments rückt zunehmend in den Fokus der Branche. Bei meiner zweiten Gründung NextGen Innovators befassen wir uns genau damit. Wir bringen Influencer*innen mit den vielversprechendsten Startups zusammen, damit beide Seiten voneinander profitieren. Das Ganze funktioniert so: Influencer*innen stellen den Startups einen Teil ihrer Reichweite zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die Influencer*innen Unternehmensbeteiligungen in Höhe der Reichweite. Das Prinzip funktioniert bei einzelnen sehr großen Influencer*innen bereits sehr gut. Mit NextGen Innovators ändern wir das: Wir bündeln die Reichweite mehrerer Creator*innen, sodass auch mittelgroße Profile Teil von Startup-Investments werden können. Das senkt nicht nur das Risiko für die Startups (sie sind nicht mehr abhängig von einer einzigen Person), sondern macht das Modell für viele Creator*innen zugänglich. Steuerrechtlich war das Thema eine harte Nuss, aber wir haben das sowohl für die Creator*innen als auch uns lösen können und freuen uns eine neue Art der Creator-Zusammenarbeit etablieren zu können
nextMedia: Was waren deiner Meinung nach die Triebfedern für diese Entwicklung?
Sarah Kübler: Einerseits ist es so, dass Creator*innen im Schnitt eine Karrierezeit von sechseinhalb bis acht Jahren hatten – im Vergleich also deutlich kürzer als bei einem Fußballprofi. Das heißt, es gibt eine gewisse Zeitspanne, in der du Geld verdienst, und das meistens auch – bei den Erfolgreichen – sehr gut. Aber es ist endlich. Und ich glaube, das ist vielen bewusst geworden. Somit kam die Frage auf: Was ist denn danach? Wie kann ich meine Karriere nachhaltig gestalten? Das war in der Anfangszeit noch kein großes Thema.
nextMedia: Gibt es denn auch in dem Selbstverständnis der Creator*innen eine Veränderung?
Sarah Kübler: Ja die gibt es. Immer mehr junge Menschen geben an, dass sie Influencer*in werden möchten. Wir beobachten allerdings, dass die Creator*innen selbst gar nicht mehr Influencer*in genannt werden möchten, sondern Creator*in. Da geht es also eher um Fragen wie: Was tue ich eigentlich? Welchen Wert schaffe ich mit dem, was ich tue? Viele entwickeln sich weiter, künstlerisch oder in Richtung Gründer*in, Unternehmer*in oder Investor*in und möchten als solche auch wahrgenommen werden – und nicht als, das soll nicht despektierlich klingen, die Person, die nur lustige Werbevideos macht.
nextMedia: Wohin wird die Creator Economy deiner Ansicht nach hinsteuern?
Sarah Kübler: Ich glaube, diese Entwicklung von/m Creator*in zur/m Unternehmer*in in all ihren Facetten ist absolut die Zukunft. Das können Firmen, Agenturen oder Produktfirmen sein. Auch Investitionen werden relevant– viele Managements haben mittlerweile Financial Advisor fest angestellt, die den Creator*innen dabei helfen ihr Vermögen zu verwalten bzw. anzulegen. All diese Themen, die in den ersten Jahren nicht so bespielt wurden, werden in meinen Augen wichtiger und größer. Und wir merken, dass da ein riesiges Interesse bei den Creator*innen und auch bei den Managements ist.
nextMedia: Haben diese Entwicklungen Auswirkungen auf eure Arbeit bei HitchOn?
Sarah Kübler: Ja und nein. Es gibt immer noch das klassische Agenturgeschäft, wo wir mit Creator*innen Inhalte entwickeln. Ich glaube, was sich da massiv verändert hat, ist, dass sich Creator*innen nicht mehr als reine Werbefläche buchen lassen. Sie wollen mitentscheiden und kreativ im Lead sein. Sie sehen sich als Teil der Kampagne und möchten die Freiheit haben die Inhalte auf ihre Weise zu transportieren und das ist auch gut so.
nextMedia: Wie groß ist der Einfluss von KI auf die Entwicklung der Branche?
Sarah Kübler: Sehr groß. Die Tools, die mit KI arbeiten, haben sich enorm weiterentwickelt und tun dies weiterhin. Wir profitieren davon. Zum einen können Creator*innen selbst besseren Content durch Apps wie bspw. CapCut produzieren. Zum anderen verwenden wir auf Agenturseite mittlerweile drei, vier Tools, mit denen sich Videomaterial aufbereiten lässt. Das heißt, wenn uns ein*e Creator*in von einem Dreh optimierungsbedürftiges Material schickt, dann können wir es so aufbereiten, dass die Videoqualität am Ende sogar verbessert wird. Das ist ein Meilenstein, da wir weniger Aufwand haben. Zudem gibt es am Ende weniger Diskussionen, da wir in der Postproduktion noch so vieles anpassen können.
nextMedia: Sind durch KI ausländische Märkte für Creator*innen interessanter geworden?
Sarah Kübler: Es gibt erste Beispiele aus den USA. Die Videos von Mr. Beast werden zum Beispiel auf Deutsch und andere Sprachen synchronisiert. Bei den ganz Großen erweitert das vielleicht schon die Communities. Bei den deutschen Creator*innen habe ich das bisher noch nicht so erlebt, da die lokale Followerschaft weiterhin sehr stark ist.
nextMedia: Welche Rolle spielt der Standort Hamburg für dich als Unternehmerin?
Sarah Kübler: Für uns als Agentur hat Hamburg verschiedenste Vorteile. Wir finden, dass die Branche hier groß genug ist und dass es hier in jedem Bereich spannende Akteure gibt. Gleichzeitig sind die Wege kurz – wir sind in der Branche untereinander sehr gut vernetzt und sehr hilfsbereit und kollegial zueinander. Die Szene ist also sehr nahbar und man kommt schnell an die Kontakte, die man braucht. Da ist Hamburg schon super.
nextMedia: Danke für das Gespräch!