Weitere Initiativen der Hamburg Kreativ Gesellschaft

Es wird nicht reichen zu sagen „das ist besser für dich“

Er kritisiert die Monopolmacht von Social Media Plattformen und setzt sich für die Bekanntheit einer unabhängigen Netzwerkstruktur ein – dem Fediverse. Doch wie kann diese attraktiver werden? Björn Staschen im Interview.

Er ist Mitinitator der Initiative "Save Social", die angetreten ist, um die demokratische Kraft der sozialen Medien zu erhalten – Björn Staschen. Wir sprachen mit dem Journalisten, Buchautor und Medienwissenschaftler über die Chancen und Herausforderungen des Fediverses.

nextMedia: Hi Björn! Stehen wir vor einer „sowohl als auch“ oder einer „entweder oder“ Entscheidung zwischen den großen Monopolen und offene Plattformen?

Björn: Wären wir vor 15 oder 20 Jahren sehr klug gewesen, hätten wir damals vielleicht eine „entweder oder“ Entscheidung treffen sollen und können. Heute kann es, glaube ich, nur eine „sowohl als auch“ Entscheidung sein, weil wir bestimmte Zielgruppen eben auf offenen, alternativen Plattformen noch nicht erwischen. Es muss aus meiner Sicht aber eine „sowohl als auch“ Strategie sein, weil ich auf den großen Plattformen ja quasi Business in der Blackbox betreiben muss. Ich weiß nicht, ob mein Geschäftsmodell morgen oder übermorgen noch funktioniert.

nextMedia: Welche Rahmenbedingungen und Bündnisse braucht es, um offene Plattformen zu stärken?

Björn: Die Antwort ist kompliziert. Aus meiner Sicht müssen alternative Plattformen gestärkt werden, weil wir in einem sehr ungleichen Wettbewerb sind. Und dieser ungleiche Wettbewerb ergibt sich aus den massiven Privilegien, von denen die monolithischen Plattformen wie Instagram oder TikTok profitieren. Ein Wettbewerbsvorteil ist beispielsweise das uneingeschränkte Nicht-Haftungsprivileg. Facebook haftet für keinen Kommentar – wohingegen beispielsweise das Hamburger Abendblatt für den Inhalt jedes veröffentlichen Leserbrief haftet. Und so gibt es eine Reihe von Privilegien, von denen die großen Plattformen profitieren. Privilegien, die den Wettbewerb mit den klassischen Medien deutlich verzerren. Wenn wir Alternativen stärken wollen, dann müssen wir uns diese Privilegien anschauen und mit Augenmaß verändern: Wer mit großer Reichweite algorithmisch gestreut Inhalte verbreitet, um Geld zu verdienen, der sollte auch haften.

Björn Staschen beim nextMedia Festival 2025 (Bild: Christina Czybik)

nextMedia: Dennoch bleibt die Reichweite der großen Plattformen. Was muss sich da ändern?

Björn: Korrekt. Aus den Privilegien hat sich der massive Reichtum der Besitzer und eine Marktkapitalisierung ergeben, sodass auf dieser Ebene heute David gegen Goliath kämpft. Aus meiner Sicht müssen wir Alternativen so stärken, dass die User Interfaces besser werden, dass das Marketing funktioniert und dass die Infrastruktur besser funktioniert. Das sind, glaube ich, die drei Felder, auf die man gucken muss.

nextMedia: Inwieweit spielt der Punkt „Marketing“ eine Rolle?

Björn: Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, ob Menschen und Unternehmen eigentlich auf offenen Plattformen Geld verdienen sollen – und wenn ja, wie? Wie kann Marketing aussehen, wenn keine persönlichen Daten gesammelt werden? Wie kann es trotzdem interessant sein für die Werbeindustrie? Oder aus Sicht von Creator*innen: Wie kann ich eigentlich für mich und meine Inhalte Geld verdienen? Da gibt es noch kaum überzeugende Monetarisierungsmodelle.

nextMedia: Gibt es denn Aktivitäten in diese Richtung?

Björn: Es gibt Creator*innen im Fediverse, die schon lange dabei sind und sich stets auf ihre eigene Plattform und Community konzentriert haben. Die finanzieren sich beispielsweise über Steady, eine Plattform, die Abo-Modelle ermöglicht. Also das gibt es schon. Aber das reicht nicht, und es gibt keine guten Antworten beispielsweise auf die Frage, ob und wie Werbung funktionieren könnte.


nextMedia: Du hattest auch die Infrastruktur erwähnt. Wie wird diese finanziert?

Björn: Es gibt bereits Ideen für die Finanzierung von Netzwerk-Knoten. Es gibt Vereine, Initiativen, aber auch mittelständische Unternehmen, zum Beispiel BonnDigital, die einen eigenen Server betreiben. Nach außen kommunizieren sie es noch als eine Art Hobby, weil es noch kein Modell ist, das sich finanziell trägt. Aber es gibt Akteure, die auf dem Feld Serverbetrieb aktiv werden. Wir konzentrieren uns zu wenig auf diese Fragen, da muss noch viel Gehirnschmalz hineinfließen.

"Ich denke, ein Staat muss dafür sorgen, dass es ein unabhängiges, demokratisches Gespräch im digitalen Raum geben kann, was nicht algorithmisch verzerrt wird."

Björn Staschen
Björn Staschen beim nextMedia Festival 2025 (Bild: Christina Czybik)

nextMedia: Wo siehst du denn die Möglichkeit, in diesen Bereichen positive Impulse zu setzen?

Björn: Es ist schon mal gut, wenn öffentliche Einrichtungen auch die alternativen Plattformen mitdenken, erwähnen oder fördern. Das ist der erste Schritt und das passiert auch schon – das freut mich total. Was jetzt folgen müsste, sind Ansätze dafür, die diese Exploration vorantreiben. Die Exploration mit Blick auf die Frage „Wie kann Werbung aussehen?“ Wie können sich Creator*innen refinanzieren, und wie sehen eigentlich Geschäftsmodelle für den Betrieb von Servern, Netzwerkknoten aus? Wobei ich auch noch einmal sagen will: Nach meiner Überzeugung ist eine resiliente Infrastruktur für Information und Debatte kein Thema, das sich allein nach Marktkriterien regeln lässt. Ich denke, ein Staat muss dafür sorgen, dass es ein unabhängiges, demokratisches Gespräch im digitalen Raum geben kann, was nicht algorithmisch verzerrt wird. Also: Nicht alles wird sich über Monetarisierung und Geschäftsmodelle regeln lassen.

nextMedia: Du meinst, dass Städte und Kommunen
einen Raum zur algorithmisch unverzerrten Kommunikation anbieten?

Björn: Ich sehe sie eher als einen Akteur auf offenen Plattformen, die nicht vom Staat, sondern unabhängig betrieben werden müssen. Unser Ziel muss sein, Menschen zum Wechsel zu bewegen. Und wann sind Menschen wechselwillig? Wenn ihre User Needs erfüllt werden! Ich glaube, dass da auch eine Antwort liegt. Nehmen wir Informationen über kommunale Dienstleistungen wie Schulausfälle, Müllabfuhr oder die Öffnungszeiten von Schwimmbädern oder Bücherhallen – sind das Informationen, die nur auf kommerziellen Plattformen zur Verfügung stehen sollen? Wir fordern eine Verpflichtung, dass mit öffentlichem Geld finanzierte Inhalte auch auf offenen Plattformen zur Verfügung stehen müssen. Damit die Nutzenden Menschen denken: „Ja, eigentlich muss ich da jetzt sein, weil ich bestimmte Infos nur da kriege“. Am Ende kann es nur eine Veränderung geben, wenn Menschen das wollen. Es wird nicht allein reichen zu sagen: „Das ist besser für dich“.

nextMedia: Du bist im Austausch mit anderen Menschen, die sich für dezentrale Plattformen engagieren. Wie vernetzt ihr euch? Und gibt es eine Art Lobbyarbeit?

Björn: Es ist beides: Lobbyarbeit und Vernetzung von Akteur*innen. All das haben wir mit der Initiative Save Social sehr gut hinbekommen. Da bin ich selbst überrascht gewesen; auch wie toll wir Verbindungen in Richtung Kultur, Musik, Wirtschaft, Stiftungen, Politik und Gewerkschaften geknüft haben. Am Ende müssen wir Banden bilden. Unser Ziel ist es, dass offene Plattform auch im Koalitionsvertrag stehen und dass die Überprüfung der Privilegien für Big Tech auch im Koalitionsvertrag steht. Ob uns das gelingt, werden wir sehen (Nachtrag: Es ist gelungen).


nextMedia: Zum Abschluss: Bereitet dir KI in diesem Zusammenhang eher Sorgen und siehst du neue Potenziale für offene Plattformen?

Björn: Aus meiner Sicht können wir aus der Diskussion über Medien und Plattformen viel für die Diskussion über KI lernen. Technologie kann uns helfen, uns Arbeit abnehmen und von wiederkehrender Arbeit entlasten. Das gilt auch für KI. Aber wir müssen KI so bauen, dass es keinen Zielkonflikt mit den Zielen und Werten unserer Gesellschaft gibt. Wir müssen aus meiner Sicht selbstbewusst darüber nachdenken, wie wir nicht nur konsumieren und die Dienste irgendwie notdürftig anpassen können, sondern wie wir selbst die Technologie für uns als Gesellschaft gestalten und nutzen können. Ich bin ein großer Freund von technologischer Innovation. I love it. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass all das wertebasiert passieren muss. Auch eine KI muss am Ende unsere Demokratie, unsere Gesellschaft stärken und unser Leben besser machen. Sie wird das aber nicht sein, wenn sie vor allem entwickelt wird, um die Gewinne zu maximieren.


nextMedia: Danke für das Gespräch!

Über Save Social

Die Initiative "Save Social" kritisiert, dass wenige vorwiegend US-amerikanische und chinesische Tech-Konzerne die öffentliche Debatte im digitalen Raum lenken und Nutzende für den Zugang persönlichste Daten preisgeben müssen. Die Initiative fordert deshalb andere Plattformen für soziale Vernetzung, Austausch und Debatte und hat dafür ein breites Bündis zusammengestellt. Weitere Infos auf: savesocial.eu.

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